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Kritische Einordnung Brandbrief Stolle

Am 02.02.2024 sendete Ulrich Stolle, Geschäftsführer der Komfort-Bau Immobilien GmbH, einen „Brandbrief“ an die Wildeshauser Stadtratsfraktionen [1].
Zudem veröffentliche Stolle das Schreiben mitsamt Anhang, einer Karte mit Stadtvillen, die von Personen mit Migrationshintergrund bewohnt werden sollen, in einer öffentlichen Facebook-Gruppe [2].
Dieses Schreiben war alles andere als objektiv, sondern voller rassistischer Stimmungsmache und falscher Behauptungen zur Vergaberichtlinie. Wir werden in diesem Statement im ersten Teil auf die falschen Behauptungen zu den Vergaberichtlinien eingehen, danach Begrifflichkeiten und Formulierungen Stolles, die eine gewisse Stimmung gegen Menschen mit Migrationshintergrund erzeugen sollen, betrachten und anschließend einen kurzen Blick auf weitere öffentliche Äußerungen Stolles werfen, die wir seinem facebook-Account entnehmen konnten.
Wir werden direkt aus seinem Brandbrief zitieren, um besser auf das Geschriebene eingehen zu können.
1. Falschbehauptungen zur städtischen Vergaberichtlinie
Stolle behauptet in seinem Brief: „Kulturtypisch kinderreiche Familien aus dem kurdisch-irakischen Umfeld ziehen nach Wildeshausen und weisen vor Ort eine Anstellung nach. Damit sind sie im Sinne der Vergaberichtlinie punktetechnisch kaum noch zu schlagen“ und fügt hinzu: „Es steht zu vermuten, dass Kapitalanleger aus dem irakisch-kurdischen Umfeld systematisch kinderreiche Landsleute als Bewerber auf die städtischen Grundstücke vorschicken.”
Um diese Falschbehauptungen zu entkräften genügt ein Blick in die städtische Vergaberichtlinie. Diese wurde bereits vom Stadtratsmitglied Kreszentia Flauger (DIE LINKE) erläutert [3, 4], weshalb wir ihre Stellungnahme dazu übernehmen werden. 
Sie schreibt: „Was Ulrich Stolle da schreibt ist ziemlich abstoßend und außerdem falsch.”, und führt weiter aus: „Es gibt nach Vergaberichtlinie 1 Punkt für ein Kind, 3 Punkte für 2 oder mehr Kinder. Eine weitere Staffelung gibt es zur Kinderanzahl nicht und das hat der Stadtrat auch gut überlegt und genau so gewollt. Das heißt, die laut Stolle angeblich benachteiligten „typischen einheimischen Familien mit wenigen Kindern“ sind überhaupt nicht benachteiligt, mit 5 Kindern gibt es auch nicht mehr Punkte.
ziehen nach Wildeshausen“:
Einfach mal herziehen und ein Grundstück kaufen wird schwer. Wer nämlich schon einmal in Wildeshausen gewohnt hat, bekommt 2 Punkte. Wer länger als 5 Jahre hier wohnt oder gewohnt hat, bekommt 4 Punkte, bei mehr als zehn Jahren 6 Punkte. Damit sind Menschen, die nach Wildeshausen ziehen, um die Richtlinie systematisch zu ihrem Vorteil auszunutzen (O-Ton Stolle) deutlich im Nachteil gegenüber Einheimischen.
weisen vor Ort eine Anstellung nach“:
Für einen Arbeitsplatz in Wildeshausen gibt es bei einer Dauer von mindestens 3 Jahren 2 Punkte, bei mindestens 5 Jahren 4 Punkte, bei mindestens 10 Jahren 6 Punkte. Dagegen soll jemand, der gerade hergezogen ist, erst einmal gegenanpunkten.
Damit bekäme also jemand, der schon lange hier wohnt und arbeitet oder gearbeitet hat, schon dafür 12 Punkte, auch übrigens Senioren, die Stolles Meinung nach „vom städtischen Grundstücksmarkt faktisch ausgeschlossen“ sind. Diese Punktzahl für Job und Wohnort kann keine mal eben hergezogene und einen Arbeitsplatz nachweisende kurdische Familie durch viele Kinder toppen.
Im übrigen ist zur angeblichen Benachteiligung kinderloser Paare anzumerken, dass laut Vergaberichtlinie ausdrücklich die Hälfte der nach Punkten vergebenen Grundstücke an Haushalte ohne minderjährige Kinder vergeben werden sollen. Und für den Fall, dass dennoch Bewerbungen dabei sind, die durch das Punkteraster fallen würden, können an diese Bewerber bis zu 20 % der Grundstücke frei vergeben werden. Auch diese Behauptung ist also schlicht falsch.
Stolles Äußerung, es würden „Kapitalanleger aus diesem [kurdisch-irakischen] Umfeld systematisch kinderreiche Landsleute als Bewerber auf die städtischen Grundstücke vorschicken“, ist Spekulation. Diese Behauptung passt gar nicht zu der Verpflichtung der Vergaberichtlinie, das dann gebaute Haus mindestens zehn Jahre selbst zu bewohnen und nicht zu verkaufen und nicht zu tauschen, wofür sonst eine Konventionalstrafe von 50 % des Kaufpreises fällig wäre.
Da man davon ausgehen kann, dass er aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit die Vergaberichtlinie sehr wohl kennt, nenne ich seine Unwahrheiten Lügen.
2. Begrifflichkeiten und Formulierungen
Stolle schreibt: „Dass die übliche Bevölkerungsstruktur dort sprichwörtlich auf den Kopf gestellt wird. Unattraktive Wohnquartiere entstehen. Schon jetzt ist an der Bargloyer Heide längst eine Parallelgesellschaft entstanden.”
Bewusst verwendet er den Begriff der Parallelgesellschaft. Ein Begriff, der vor allem von rechten Akteuren dazu verwendet wird, um eine ablehnende Haltung gegenüber rassistisch markierten Menschen zu erzeugen. Ihnen stellt er sinngemäß die „ureigenen Stammbürger“ oder „typischen einheimischen Familien“ entgegen. Rechte wollen das Bild von getrennten, nicht integrierten Gemeinschaften vermitteln, die als Bedrohung für die soziale Ordnung wahrgenommen werden sollen.
Bei der Kritik an Parallelgesellschaften geht es meist um ein oben und unten. Um die Verachtung finanziell Benachteiligter. Soziale und ökonomische Verwerfungen und die Folgen dieser werden zu einer Frage der Ethnie und Kultur gemacht. Es soll ein Scheitern des multikulturellen Zusammenlebens herbeifantasiert werden, um dann im nächsten Schritt weitere Maßnahmen gegenüber Menschen einleiten zu können, die rassistisch abgewertet werden. Diese Maßnahmen bestehen dann aus weiteren Marginalisierungen und Gewalt!
Diese Taktik kennen wir von rechten Politiker*innen und bürgerlichen Akteur*innen, die die tatsächlichen strukturellen Ungerechtigkeiten zu vertuschen versuchen, um stattdessen die gesellschaftliche Spaltung zu vertiefen. Statt sich mit den Herausforderungen der sozialen Ungleichheit und der wirtschaftlichen Ausbeutung auseinanderzusetzen, werden energische Debatten über kulturelle oder identitätspolitische Fragen geführt, die letztendlich die Interessen der herrschenden Klasse unterstützen, indem sie die Aufmerksamkeit von systemischen Problemen ablenken.
Wir wissen, dass die soziale Grundursache von Ausschreitungen, die eine Verletzung der Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens bedeuten, in der Ausbeutung der Massen, ihrer Not und ihrem Elend zu suchen sind und niemals in ihrer Ethnie!
Menschen, die nicht weiß sind, beschreibt Stolle als „andersartige”, „kulturfremde” mit Hang zu kriminellen Machenschaften. Die Annahme, Menschen anderer Ethnien sei es unmöglich, Geld für den Kauf einer Immobilie aus legalen Quellen zu beziehen spricht für sich! 
Wir zitieren aus Stolles Brief: 
Es riecht streng nach Schwarzarbeit, Schwarzgeld und eventuell auch Geldwäsche im großen Stil.”
Um schon im Vorhinein berechtigte Kritik an seinen falschen Behauptungen und seiner rassistischen Sichtweise auf Menschen mit einem Migrationshintergrund im Keim zu ersticken, behauptet er, es ginge ihm  um „migrantenfreundliche Integration“.
Stolles Schreiben kann im Grunde nur als rassistische Hetzschrift bezeichnet werden. Er behauptet allerdings: „Damit hat es aber mal so gar nichts zu tun. Das Gegenteil ist der Fall”. Laut seinem Text geht es ihm neben Integration auch darum das einheimische Volk vor Ausländerhass und Politikverdrossenheit zu bewahren und „den extremen Rand des politischen Spektrums“ nicht weiter erstarken zu lassen. Wenn dies das Ziel war, dann ist es wirklich beeindruckend wie kläglich daran gescheitert wurde.
Stolle geht davon aus, dass sich Menschen, die ihm nicht in das Bild eines typisch Einheimischen passen, sich hier erst einmal integrieren müssten. Sich mal bemühen, vom Nachbarn trotz der „atypischen” Art und der „Kulturfremde” akzeptiert zu werden. Auf die Idee, dass diese Menschen schon jahrelang hier integriert leben können, kommt er nicht. Dem Kulturfremden, unintegrierten Migranten mit natürlichen Hang zur Kriminalität wird hier der benachteiligte „ureigenen Stammbürger” entgegengesetzt, der zu Recht wütend und neidisch sei. Absurd!
In unseren Augen erfüllen die abwertenden, rassistischen und verleumderischen Äußerungen Stolles den Straftatbestand der Volksverhetzung. Die Charakterisierung und Klassifikation von individuellen Menschen allein gemäß ihrer vermeintlichen Kultur- und Gruppenzugehörigkeit ebenso wie daraus abgeleitete gruppendifferenzierte Achtungs- und Rechtsansprüche widersprechen fundamental der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes.
Mit dem zusätzlichen öffentlichen Posten einer Straßenkarte mit angekreuzten Häusern werden mögliche Ziele markiert, an denen sich der rassistische Hass „besorgter Bürger“ dann entladen kann. Wir wollen nicht unterstellen, dass Stolle dies beabsichtigt, doch das Veröffentlichen von Wohnadressen erzeugt dieses Risiko. Aus Schlagworten werden Brandsätze. Egal ob gewollt oder nicht, nimmt er in Zeiten rechter Radikalisierung, die sich durch viele Parteien, die Gesellschaft und Europa zieht, in Kauf, dass diese Menschen weiter angefeindet, attackiert und schlimmstenfalls Gewalt ausgesetzt werden!
3. Ulrich Stolles Facebook-Auftritt
Wir haben uns Ulrich Stolles Facebook-Profil einmal genauer angesehen. Es stellt sich schnell heraus, wes Geistes Kind er ist.
Stolle sieht seine Aufgabe in seinem Social-Media-Auftritt offensichtlich darin, typische Feindbilder rechter Brandstifter (Armutsbetroffene, Ausländer, queere Menschen) zu pauschalisieren und mit den üblichen Stigmata und Schlagwörtern um sich zu werfen. Außerdem ist öfter zu sehen, wie er sich gegen progressive Bestrebungen und Kämpfe positioniert. Es wird auf die getreten, auf die es sich so leicht treten lässt und wofür man sich viel Zuspruch erhofft. Gefeiert wird sich dann für den „Mut“, in einer schon von Rassismus durchsetzten  Gesellschaft noch weiter Hass zu schüren. Er verkennt die Komplexität sozialer und ökonomischer Probleme und tritt lieber, gefangen in seinem simplen Weltbild, „mutig“ nach unten.
So wirft er mit rechten Kampfbegriffen wie „politisch korrekt”, „Gendergaga”, „Andersartige/Kulturfremde” und „Parallelgesellschaft” um sich, repostet einen queerfeindlichen Beitrag, in dem Menschen, die sich keinem binären Geschlecht zuordnen können und sich dazwischen oder außerhalb des Geschlechterspektrums identifizieren, als Menschen mit Wahnvorstellungen pathologisiert werden, deren Anliegen als Zwang delegitimiert werden.
Quelle: https://www.facebook.com/ulrich.stollewarkotz/posts/pfbid0GHos8pf8o162U5UMuFnLF3755Y1kxDrppNAtXqyKFVdiXBVXPmXiXUtiqP8pBG3Tl
Der Repost war ein Tweet des anarchokapitalistischen Umstürzlers Markus Krall.
Andreas Kemper hat sich mit seinen Zielen und Verstrickungen beschäftigt https://andreaskemper.org/tag/markus-krall/
Am 08.01.2024 verfasste er einen Facebookpost, in dem er von „ … der unkontrollierten Zuwanderung in unsere Sozialsysteme …” schwurbelt und muslimischen Menschen eine „ … Tendenz zum Sprengstoffgürtel …” unterstellt.
Quelle: https://www.facebook.com/ulrich.stollewarkotz/posts/pfbid02shg8CyqYevWT2ANBfDjz1BRTkaiCAec8GTZnbyUZANFwnPPWBcemxhyaPCebLKoFl
Alles in allem wirft das kein gutes Licht auf Stolle, auf die Personen, die meinen, die Hetze eines ewig-Gestrigen ohne Einordnung in eine Zeitung drucken zu müssen und auf Stadtverwaltung und den Großteil der Politik, die diese rechte Stimmungsmache schweigend hinnehmen und kein Wort darüber verlieren. Das ist bequem und verantwortungslos, vor allem in Zeiten einer politischen Diskursverschiebung nach Rechts und der damit einhergehenden immer größer werdenden Gefahr für Marginalisierte!
Dieses Verhalten nehmen wir nicht hin! 
Wir sind eine vielfältige Gesellschaft und sollten uns nicht durch Demagogen spalten lassen! Wir lassen diesen Versuch, Bürger*innen zu blenden und Hass zu schüren nicht unbeantwortet und werden weiterhin Stolles Verhalten in der Öffentlichkeit beobachten und erneut einschreiten, wenn wieder Stimmung gemacht wird.
Für die rechte Stimmungsmache und falschen Behauptungen können wir Ihnen nur zurufen:
Schämen Sie sich, Herr Stolle!
Und trotz alledem wollen wir die Hoffnung nicht aufgeben, dass auch Ulrich Stolle den Weg zu Solidarität und Empathie findet und seine Position ändert.

Mit COURAGE gegen Rechts!

 

 

Quellen:

[1] https://www.kreiszeitung.de/lokales/oldenburg/wildeshausen-ort49926/brandbrief-eines-wildeshauser-buergers-massive-kritik-an-vergaberichtlinie-fuer-staedtische-grundstuecke-92815798.html
[2] https://www.facebook.com/groups/174441039632741/posts/1716705935406236/?comment_id=1716803348729828&reply_comment_id=1717037332039763
[3] https://dielinke-oldenburg-land.de/kreszentia-flauger-kritik-brandbrief-ulrich-stolle
[4] https://www.kreiszeitung.de/lokales/oldenburg/wildeshausen-ort49926/linken-ratsfrau-kreszentia-flauger-zu-brandbrief-angaben-in-grossen-teilen-falsch-92819290.html